Die britische Psychoanalytikerin Juliet Rosenfeld erklärt die wahren Gründe für männliche Untreue – und wie Frauen (und Männer) lernen können, die Ursachen zu verstehen, ohne sich selbst die Schuld zu geben.
🧠Wenn Nähe Angst macht – und Männer die Flucht wählen
Es passiert in scheinbar glücklichen Beziehungen, mitten im Alltag, zwischen Jobstress und Familienpflichten. Ein Chat, ein Treffen, ein Kuss – und plötzlich steht alles auf dem Spiel. Was treibt Männer dazu, Grenzen zu überschreiten, die sie selbst nie brechen wollten? Die Antwort ist komplexer, als viele denken – und hat oft weniger mit Lust als mit Ego, Unsicherheit und dem Drang nach Bestätigung zu tun.
Natürlich betrifft Untreue nicht nur Männer – Frauen sind ebenso fähig zu schweigen, zu verdrängen oder auszubrechen. Doch die britische Psychoanalytikerin Juliet Rosenfeld richtet ihren Blick bewusst auf die männliche Seite: nicht aus Schuldzuweisung, sondern weil viele Männer in ihrer Praxis dieselben Muster zeigen – zwischen Scham, Leistungsdruck und dem Versuch, stark zu bleiben, wo sie sich eigentlich hilflos fühlen.
Die Psychoanalytikerin hat hunderte Männer und Paare begleitet und weiß, wie komplex und erschütternd das Thema sein kann – nicht nur für Betroffene, sondern für uns alle. Rosenfeld, die als renommierte Paartherapeutin in London arbeitet, kennt laut Daily Mail die wahren Gründe für männliche Untreue.
Einer ihrer Schlüsselsatz: „Viele Männer suchen in Affären nicht Lust – sondern Erleichterung“. Ist Fremdgehen also eine Art seelisches Schmerzmittel? Die Antworten überraschen – vor allem, weil sie viel weniger mit Oberflächlichkeit und viel mehr mit tiefer Unsicherheit, Scham und unerfüllten Bedürfnissen zu tun haben.
Die Zahlen sprechen für sich: Laut verschiedenen Studien geben zwischen 20 und 30 Prozent der Männer an, schon einmal fremdgegangen zu sein. Doch was versteckt sich hinter diesen Zahlen? Rosenfeld beschreibt in ihren Sitzungen Begegnungen mit Männern, die sich in Affären flüchten, weil sie mit Worten nicht weiterkommen. Nicht um Sex geht es, sondern um einen Moment der Befreiung, einen Ausstieg aus der Rolle, die sie im Alltag halten müssen. Klingt irgendwie nach schlechter Ausrede und Entschuldigung für eine Sache, die so alt ist wie die Menschheit selbst, denkst du dir gerade? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht, denn die menschliche Psyche und damit die bewussten und unterbewussten Beweggründe für unsere Muster und Prägungen unser Denken und Handeln ist alles, außer simple.
Aber schauen wir doch genauer hin und lassen uns die genaueren psychologischen Ursachen für männliche Untreue von der Expertin erklären!
💔 Die fünf psychologischen Gründe für Untreue laut Juliet Rosenfeld
Was passiert im Inneren eines Mannes, der eine Affäre beginnt? Rosenfeld unterscheidet fünf zentrale Gründe, die sich immer wieder in ihren Sitzungen herauskristallisieren – und sie haben wenig mit Oberflächlichkeit oder Selbstsucht zu tun.
1. Bedürfnis nach emotionaler Entlastung und Bestätigung In Beziehungen, in denen der Alltag erstickt, suchen viele Männer nicht den Kick, sondern einen Moment, in dem sie wieder gesehen und bestätigt werden. Du kennst das vielleicht: Immer stark, immer kompetent. Aber was, wenn das Lob, das Verständnis oder die kleinen Gesten im Alltag verloren gehen?
2. Flucht vor Scham, Stress, Druck und Alltagsrolle Häufig rutschen Männer in eine scheinbare Parallelwelt, wenn der Druck zu groß wird. Sie erleben Fremdgehen als eine Art Flucht vor dem eigenen Stress, vor Unerfülltheit, vor der Angst, im Job, als Vater, als Partner zu versagen.
3. Angst, eigene Verletzlichkeit zu zeigen Viele Männer wurden erzogen, Schwäche oder Bedürftigkeit zu verstecken. Das Sprechen über Unsicherheiten oder die Angst vor dem Versagen bleibt tabu – ein Teufelskreis entsteht, der den Weg für eine verbotene Nähe außerhalb der Partnerschaft ebnet.
4. Verlust von Identität oder Lebensfreude Wenn das Leben zur bloßen Routine wird und Freude oder Identität verloren gehen, kann eine Affäre wie ein Neustart wirken – ein (trügerischer) Versuch, das Gefühl von Lebendigkeit wiederzufinden.
5. Sehnsucht, wieder „gesehen“ zu werden Im Kern, sagt Rosenfeld, steckt oft die tiefe Sehnsucht, noch einmal von außen bestaunt und ausgewählt zu werden. Es ist nicht immer der Körper – oft ist es der Blick, das Gefühl, wirklich präsent zu sein, das Männern fehlt.
Vielen Männer fällt es immer noch schwer, ehrlich über ihre Gefühle zu sprechen.
🧱 Scham, Schweigen und die gesellschaftliche Rolle des starken Mannes
Aber warum fällt Männern diese Offenheit oft so schwer? Die Antwort liegt laut Rosenfeld in einer gesellschaftlichen Prägung, die Männern in der Kindheit noch immer oft vermittelt wird: Sei stark, sei souverän, nie verletzlich, nie zu bedürftig. Der Preis ist hoch, denn echte emotionale Intimität bleibt dabei fast zwangsläufig auf der Strecke.
Die Angst, Schwäche zu zeigen und als Mann zu versagen, sorgt für einen Teufelskreis: Weder mit Kolleg*innen, Freund*innen noch – am schlimmsten – mit der eigenen Partnerin sprechen Männer oft über Zweifel, Krisen oder emotionale Erschöpfung. Das Ergebnis ist ein lähmendes Schweigen, das Beziehungen aushöhlt und das Risiko, früher oder später auszubrechen, immer größer werden lässt.
Rosenfeld spricht auch über die männliche Scham, die Bindungsangst und das Gefühl, innerlich einsam zu sein – selbst in stabilen Partnerschaften. Ein Verrat bleibt es trotzdem – auch wenn Untreue oft die Wahrheit über eine „tote Partnerschaft“ ans Licht bringt, so Rosenfeld.
Moderne Einflüsse wie Social Media und ständig steigender Leistungsdruck machen das Ganze nicht leichter: Der Druck, immer „perfekt“ zu funktionieren, sich permanent zu vergleichen, verschärft emotionale Einsamkeit – und den Wunsch, irgendwo noch einmal ganz neu beginnen zu dürfen.
🪞Beziehung auf Augenhöhe: Signale erkennen und neu zuhören
Wie wirken diese psychologischen Verstrickungen in modernen Partnerschaften? Oft kommt es zu Kommunikationslücken, stiller Distanz oder gegenseitigen Projektionen. Einer zieht sich zurück, der andere spürt vage, dass etwas fehlt – aber das Gespräch darüber bleibt aus. So entsteht Raum für Missverständnisse, Verletzungen und, im schlimmsten Fall, eine dritte Person.
Gerade für Frauen ist das Thema heikel: Wie erkenne ich, dass mein Partner innerlich auf Abstand geht? Wo höre ich auf mein Gefühl, ohne mich in Eifersucht oder Misstrauen zu verlieren? Rosenfelds Rat ist klar: „Achte auf den emotionalen Tonfall, auf kleine Veränderungen – und beziehe sie auf die Situation, nicht auf dich selbst.“ Denn: Auch wenn Untreue nie ein Freispruch ist, bist du niemals allein die Ursache.
Zu oft analysieren wir unser eigenes Verhalten, machen uns Vorwürfe oder suchen den Fehler bei uns – dabei ist Untreue in den allermeisten Fällen ein Spiegel der gemeinsamen Situation, nicht die Schuld einer Person. Eine offene, ehrliche Kommunikation – über Bedürfnisse, Ängste, Lebensziele und Unzufriedenheit – ist der Schlüssel für echte Nähe und neue Verbindlichkeit.
Ein Blick in aktuelle Bewertungen, moderne Studien und Erfahrungsberichte zeigt: Die meisten Experten empfehlen heute Paartherapien, offene Gespräche und ehrliche Selbstreflexion, um Beziehungen wieder zu stärken, statt Schuldige zu suchen.
🌿Perspektivwechsel: Untreue als Symptom, nicht als Schuldfrage
Was heißt das alles für unser Verständnis von Beziehungen und Treue? Zunächst einmal: Es gibt keinen Freispruch für Untreue, keine Rechtfertigung für Betrug. Aber: Die Außenbeziehung ist oft das Symptom eines tieferen Konflikts – ein ungeschriebener Hilferuf, dass etwas Wesentliches in der Beziehung fehlt oder im Inneren des Partners nicht adressiert wird.
Ein solcher Perspektivwechsel lädt uns alle dazu ein, weniger zu verurteilen und mehr zu verstehen. Untreue ist meist kein bewusster Angriff – sondern ein Ausdruck von Überforderungen, verlorener Nähe, nicht genutzter Chancen im Miteinander. Männer, die sich in Affären flüchten, sind oft selbstorientiert – aber selten böswillig.
Für dich als Frau heißt das: Öffne dich für ein Gespräch auf echter Augenhöhe. Sieh Untreue als möglichen Anlass, tiefer zu fragen: Was fehlt uns? Was bewegt dich? Wo haben wir uns aus den Augen verloren – und wo können wir neu anfangen?
Als moderne Frau darfst du sagen: Ich bin mehr als ein Prüfstein – und du bist mehr als die Fremdheit, die zwischen uns steht.
Wer verletzt wurde, darf fragen – ohne sich selbst die Schuld zu geben. Auch ein Seitensprung sagt nie nur etwas über einen Menschen aus.
✨Extrem wichtig: Verstehen heißt nicht bleiben
Man kann Verständnis und Mitgefühl haben – und trotzdem Konsequenzen ziehen. Juliet Rosenfelds Analysen laden dazu ein, männliche Untreue zu verstehen, nicht zu entschuldigen. Denn Einsicht bedeutet Verantwortung – und wer wiederholt verletzt, muss bereit sein, hinzuschauen, zu sprechen und sich zu verändern. Wer jetzt glaubt, Erklärungen gefunden zu haben, die einem dabei helfen, dem Partner einen begangenen Fehltritt zu verzeihen, täuschen sich.
Für viele Frauen gilt eine bittere Wahrheit: Stärke zeigt sich nicht darin, alles auszuhalten, sondern darin, rechtzeitig zu erkennen, wann Liebe nur noch Selbstverlust bedeutet. Denn: Verstehen ist wichtig – aber nicht um jeden Preis. Am Ende geht es nicht darum, den anderen zu retten, sondern sich selbst treu zu bleiben. Und manchmal ist genau das der mutigste Schritt: zu gehen.
Natürlich bleibt die Erkenntnis, dass Untreue in vielen Fällen scheinbar Ausdruck eines Problems ist, das viel früher beginnt – bei nicht gesprochenen Gefühlen, Lebenskrisen, identitätslosem Alltag und schleichender Entfremdung im Zusammensein. Wer die tieferen Motive erkennt, bekommt die Chance, wieder neu über Bedürfnisse, Scham und Nähe zu sprechen. Aber auch nur, wenn BEIDE es wollen. Einseitiges Verständnis und der Wille die Situation als Chance zu betrachten, hilft niemandem.
Im besten Fall kann genau dort aber echte Intimität wachsen: Wenn wir – anstatt zu werten – beginnen, die Hintergründe zu sehen. Juliet Rosenfeld selbst sagt es so: „Wer versteht, was hinter Untreue steckt, kann ehrlicher über Nähe, Scham und Bedürfnisse sprechen – und genau dort beginnt echte Intimität.“
Mehr Gedanken zu Liebe, Beziehungen und innerem Wachstum findest du regelmäßig in unserem Newsletter: